Raimund Zobl 1889-1960 |
Raimund Zobl wurde am 15. August 1889 zu Rattenberg als drittältestes von acht Kindern eines Kleinbauern geboren. Nach Besuch der Volksschule verdiente er seinen Lebensunterhalt mit harter Arbeit beim Gleisbau als Bahnarbeiter. Im Jahre 1910 zum 1. Tiroler Kaiserjäger Regiment assentiert, diente er bei Kriegsausbruch gerade aktiv und wurde als Oberjäger der 7. Kompanie nach Galizien an die Ostfront verlegt, wo er sich als erste Auszeichnung bereits im Oktober 1914 die Goldene Tapferkeitsmedaille erwarb. Oberjäger Zobl führte wie es hieß, mit „besonderem Geschick, seltenem Mut und mit Kaltblütigkeit gelegentlich des nächtlichen Angriffes auf Nowa Wies“ am 20. Oktober 1914 eine Patrouille. Er gelangte mit seinen Leuten bis hinter die feindliche Stellung und kam unter großen Schwierigkeiten, als einziger mit einer sehr wertvollen Meldung zurück, die das nachfolgende Geschehen in jenem Abschnitt entscheidend beeinflusste. Da er sich bereits vorher bei allen Gefechten durch Entschlossenheit hervorgetan hatte, wurde er am 10. Dezember 1914 mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Doch damit nicht genug, bereits im November 1914 vernichtete er, praktisch im Alleingang, im Nahkampf mit Messer und Bajonett eine gesamte russische Batterie, wofür er mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille 1. Klasse dekoriert wurde. In dem, im Frühjahr 1915 erschienenen Buch „Unsere Soldaten“ des Direktors des Kriegsarchives G.d.I. Emil von Woinovich und seinem Abteilungsvorstand Obstlt. Alois Veltzé werden den Taten des Oberjägers Zobl mehrere, sehr „heldisch“ geschriebene, Seiten gewidmet. Hier ein kurzer Auszug über den Erwerb der Silbernen Tapferkeitsmedaille 1. Klasse: „…Alle belebt der Anblick der Beute, strafft ihre Glieder und gießt über ihre Gesichter jene ernste und entschlossene Ruhe, die ihrer heiligen Opferbereitschaft würdig ist. Befehl kommt, der linke Flügelzug, dem Zobl angehört, habe vorzurücken! Es geschieht. Und schon fallen auch unter ihnen die ersten Märtyrer des Vaterlandes. Den Zugskommandanten Leutnant Oskar von Puhlreich streckt es hin und nun spuckt es Eisen vom Himmel herab, Garben von Glut und Metallteilen sprühen aus krepierenden Granaten und hinein knattert unaufhörliches Infanteriefeuer. Der Oberjäger Zobl spürt, hier hilft jetzt nur eines: Sturm! Sturm auf die feindliche Batterie! Er hat an seines schwerverwundeten Leutnants Stelle den Befehl übernommen und führt den Zug in die Flanke der feindlichen Geschütze. Erst muss ein Schützengraben voll Russen überrannt werden; es glückt ihm. Nun gilt es, sich an die Batterie heranzupirschen. Raimund Zobl findet einen Wassergraben voll von toten und verwundeten Feinden; dort quetschen sie sich durch, empor zu der rastlos feuernden Batterie. Jetzt werden sie von einer russischen Offizierspatrouille entdeckt; doch die kommt nicht mehr dazu, ihre Artillerie zu warnen; nach erbittertem Kampf wird sie niedergemacht. Und nun ist Zobl mit den Seinen schon in Schussnähe der Geschütze; die Flinten an die Backe; Knall! Ein russischer Vormeister dort wirft die Arme auf und stürzt; jetzt noch ein Kanonier! Ein Leutnant! Und nun: los! Hinein! Sie werfen die Gewehre weg; sie ringen mit Messern, Fäusten, Zähnen. Die Russen wehren sich tapfer; kein Schuss, kein Schrei; nur Röcheln und Keuchen. Wenige fliehen; fast alle sterben bei ihrer Batterie. Dies war des Oberjägers Zobl erster Streich, für den ihm sein Kommandant die ‚Große Silberne’ verschaffte. …“ Bei dieser, aus heutiger Sicht wohl sehr schwülstigen, Schilderung unterliefen den beiden Herrn Archiv-Offiziere allerdings zwei grundsätzliche Fehler, zum einen erwarb Zobel zuerst die Goldene und dann erst, kurz darauf, die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse und zum anderen war das k.u.k. Heer natürlich nicht mit Flinten (glatter Lauf) sondern durchaus schon seit längerem mit Büchsen (gezogener Lauf) bewaffnet. Später erwarb Oberjäger Zobl noch die Silberne 2. Klasse und das Karl-Truppen-Kreuz. Trotz mehrfacher Verwundungen und der daraus resultierenden Spitalsaufenthalte, meldete er sich immer wieder zurück an die Front. Nach dem Kriegseintritt Italiens im Jahre 1915 war seine Einheit an der Südfront eingesetzt, wo er am Isonzo, am Pasubio und vielen anderen Abschnitten tapfer kämpfte, bis er Ende 1918 unverschuldet in italienische Kriegsgefangenschaft geriet. Wie durch zahlreiche Berichte belegt, waren die Zustände in den italienischen Kriegsgefangenenlagern ganz furchtbar. Kaum Unterkünfte, katastrophale hygienische Zustände, keine ärztliche Versorgung, kaum Nahrung, dafür täglich Prügel und Schlimmeres. Nach fast einem Jahr gelang Raimund Zobl 1919 aus größter Verzweiflung die Flucht. Mit letzten Kräften, kaum mehr als Lumpen am gemarterten Leib, gelang es ihm in die Heimat zurückzukehren. Vorerst fand Raimund Zobl beim Innbau Arbeit, doch die allgemeine Wirtschaftskrise reihte auch ihn bald ins große Heer der Arbeitslosen ein. Als Vater von fünf unmündigen Kindern traf ihn die Arbeitslosigkeit natürlich doppelt schwer. Erst im Jahre 1934 gelang es ihm eine Arbeit, und zwar in der deutschen Stadt Mannheim, zu finden. Ein Jahr zuvor hatte die NSDAP in Deutschland die Macht an sich gebracht und durch groß angelegte Arbeitsbeschaffungsprogramme ging dort die große Arbeitslosigkeit scheinbar zurück. Raimund Zobl war nicht dumm, zwar froh endlich Arbeit und Brot zu haben erkannte er auch was dahinter stand, sah die Verhaftungen und kannte die Auswirkungen, bereits lange vor seinen in Österreich verbliebenen Kameraden. Trotz aller Vorsicht blieb seine, sagen wir „pro-österreichische“ Haltung, nicht geheim. Da half auch das Tragen eines "Parteiabzeichens" nichts. Nachdem die Deutsche Wehrmacht im März 1938 Österreich besetzt hatte, wurde es nicht leichter. Raimund Zobl war zwar keinen direkten Repressalien des Regimes ausgesetzt, aber er verlor mit Jahresende 1939 seine Arbeit in Mannheim und war somit gezwungen wieder nach Tirol zurück zu kehren. Als anlässlich des Gedenktages der Schlacht von Tannenberg im August 1939 fast alle Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille ehrenhalber zu Offizieren der Deutschen Wehrmacht befördert wurden, war Raimund Zobl einer der wenigen, bei denen das nicht der Fall war. Aus Gesundheitsgründen in die vorzeitige Rente abgeschoben, verlebte er seine Pensionsjahre in Innsbruck-Dreiheiligen. Nach langer, schmerzvoller Krankheit verstarb Raimund Zobl am 22. Juni 1960 in der Pflegeanstalt am Innrain. © Jörg C. Steiner, Wien |