Auszeichnungen im Austausch mit den Verbündeten
von Prof. Jörg C. Steiner, MA
Aufgrund (scheinbar) gleicher politischer
Ziele verbündeten sich im 1. Weltkrieg Staaten mit oberflächlich gesehen
ähnlichen, aber bei genauerer Betrachtung sehr unterschiedlichen
Auszeichnungssystemen. Zum einen Österreich-Ungarn, ein Dualstaat, gerade
dabei durch die verschiedenen nationalen Spannungen in viele Staaten
zerrissen zu werden, aber mit einem relativ einheitlichen
Auszeichnungssystem und zum anderen das Deutsche Reich, gerade auf dem Weg
von zahlreichen Einzelstaaten zu einem einheitlichen Land zu werden mit
entsprechend verschiedenen, landesfürstlichen Auszeichnungssystemen. Hier
ein vergleichbares, halbwegs gerechtes „Austauschsystem“ für den
diplomatischen Gebrauch zu finden war genau die Problematik! Es ist eine übliche Sache zwischen befreundeten Staaten sich gegenseitig im diplomatischen Verkehr mit Auszeichnungen zu bedenken, selbstverständlich macht diese Praxis vor den Militärs nicht halt. Gerade bei monarchistischen Staaten kommt hierzu auch noch die gegenseitige Auszeichnung mit dem (Ehren-)Posten eines Regiments-Inhabers zwischen den gekrönten Häuptern ein zusätzlicher Grund hinzu Militärpersonen des anderen Landes entsprechend mit Auszeichnungen zu bedenken. Was im Frieden schon gut funktionierte war im Krieg, wenn man Seite an Seite gegen einen gemeinsamen Feind focht, noch viel mehr Gebot der Stunde. Auf der landesfürstlichen Ebene konnte alles so bleiben wie es war, natürlich waren die Angehörigen von Regimentern wo der russische Zar oder der italienische König Inhaber war im 1. Weltkrieg schlechter dran, als jene wo der preußische Kronprinz oder der Großherzog von Hessen diesen Posten bekleidete. Trotzdem musste auf höchster Ebene ein System geschaffen werden, wo Leistungen belohnt werden konnten, ohne allzuviele Ungerechtigkeiten hervorzurufen und man sich in entsprechender Weise auch revanchieren konnte. Zum einen war es schwierig aufgrund der unterschiedlichen Auszeichnungssysteme, zum anderen aufgrund der unterschiedlichen Funktionsweise der Armeen. Während in der deutschen Wehrmacht ein großer Teil der Last auf den Schultern eines gut ausgebildeten Unteroffizierskorps lag und man mit dem Eisernen Kreuz eine lange Tradition von Auszeichnungen über alle Standesgrenzen hinweg hatte, war die Armee Österreich-Ungarns eine reine Offiziersarmee. „Der Mensch beginnt erst beim Offizier“, war leider ein nicht nur so dahingesagter Sinnspruch sondern zumindest zu Kriegsbeginn eine oftmals blutige Realität. Da in beiden Reichen die Orden ohnedies nur für (mindestens) Offiziersränge vorgesehen waren, musste man sich darüber nicht einigen bzw. beließ man sie in einer Art „landesfürstlichen Willkür“. Die entsprechende Regelung sah also vor, dass von deutscher Seite – also Kaiser Wilhelm II. in seiner Funktion als Deutscher Kaiser – an Angehörige der österreichisch-ungarischen Gesamten Bewaffneten Macht Eiserne Kreuze 1. und 2. Klasse für Offiziere und Gleichgestellte und sonst die preußische Kriegerverdienstmedaille für alle übrigen Ränge zur Verleihung gelangen sollten. Auf die relativ kleine preußische Medaille einigte man sich hauptsächlich darum, weil sie ebenfalls an einem schwarzen Band mit weißen Seitenstreifen „wie das EK“ getragen wurde. Von österreichischer Seite aus wurde die Verleihung von Militär-Verdienstkreuzen 3. bzw. 2. Klasse für Offiziere, sowie die Verleihung von Tapferkeitsmedaillen für Mannschaftspersonen vorgeschlagen und zwar mit dem „Umrechnungsschlüssel“ Silberne Tapferkeitsmedaille 2. Klasse gleich dem EK.II und Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse gleich dem EK.I. Ausnahmen von dieser Regelung sollte es nur noch dann geben, wenn einzelne Soldaten - unmittelbar einem jeweiligen verbündeten Truppenkörper direkt unterstellt - im Kampfe sich auszeichnungswürdig erwiesen hätten, was wie man sieht in der Realität kaum vorgekommen ist bzw. wenn, dann meist Offiziere betroffen hat, bei denen vom Rang her sowieso keine „Grenzen“ bei einer Auszeichnung gesetzt waren. Natürlich gab es bei diesem Vorschlag von beiden Seiten viel Kritik. Die deutsche Seite stieß sich daran, dass es einerseits eine Trennung zwischen Mannschaft und Offizieren gab und andererseits das Militär-Verdienstkreuz durch die Einführung der höheren Klassen im September 1914 nunmehr „3. Klasse“ genannt wurde, während das MVK 2. Klasse als Halsdekoration überhaupt erst ab einem Rang von Oberst aufwärts in Frage kam. Die österreichische Seite wiederum mokierte sich darüber, dass man selber bereits eine emaillierte ordensähnliche Dekoration verlieh, während man im Gegenzug dafür lediglich schlichte Kreuze aus bemaltem, minderwertigen Eisen bekam. Trotz aller Kritik wurde dieser Vorschlag im März 1915 zwischen der deutschen Armee und den österreichisch-ungarischen Landstreitkräften beschlossen, denn bereits ab April/Mai 1915 kann man die Umsetzung bei den Verleihungen deutlich erkennen. Die k.u.k. Kriegsmarine entschied sich unmittelbar vor der Einigung dieser diplomatischen Übereinkunft nicht „beizutreten“ was allerdings aufgrund der untergeordneten Bedeutung und der geringen Menge praktisch nicht von Bedeutung war. Als im weiteren Verlauf des Krieges die „Schwerter“ und die Mehrfachverleihungen zu vielen k.u.k. Auszeichnungen eingeführt wurden - auch bei der Stiftung des Karl-Truppen-Kreuzes und der Verwundetenmedaille - wurde ausdrücklich eine Verleihung nur an Inländer vorgeschrieben, sodass es nicht zu einer Neuauflage der „Equivalenzdiskussion“ kam. Bei den Landstreitkräften hielt man sich äußerst penibel an diese Vereinbarung, was auch die „Causa Fallenbacher“ – zugegeben ein Einzelfall – schön zeigt. Offiziersstellvertreter Anton Fallenbach erwarb sich Ende Oktober 1915 als Angehöriger der 3. Kompanie des 4. Regiments Tiroler Kaiserjäger am Col di Lana die Goldene Tapferkeitsmedaille. Da er dies ganz besonders schneidig getan hatte und auch schon alle anderen Tapferkeitsmedaillen besaß, wurde ihm als besondere Auszeichnung die „Goldene“ von Thronfolger Erzherzog Karl am 24. Dezember 1915 persönlich ausgehändigt. Vom deutschen Verbündeten wurde ihm hierfür das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen – fälschlich gemäß der Vereinbarung! Zwei Wochen später wurde Fallenbach zum Regimentskommandaten gerufen, wo er dem sichtlich zerknirschten deutschen Verbindungsoffizier sein EK.II mit Verleihungsurkunde wieder aushändigen musste! Als eine Art Wiedergutmachung erhielt er dann statt der recht kleinen Kriegerverdienstmedaille das preußische Militär-Ehrenzeichen 2. Klasse – was ja im Grunde wie die KVM aussieht, nur deutlich größer ist! Übrigens, soweit bekannt, fast die einzige Verleihung dieser Medaille an einen Österreicher im Ersten Weltkrieg! Bei den Gesamtzahlen fällt sofort die geringe Anzahl von Verleihung des Eisernen Kreuzes 1. Klasse auf, im Wesentlichen handelt es sich bis 1917/18 praktisch nur um Generalsränge in führenden Positionen, gelegentlich vielleicht um einen Stabsoffizier des Generalstabes oder ähnliches, der aufgrund einer günstigen Diensteinteilung als Verbindungsoffizier in den Genuss kam. Erst Ende 1917, Anfang 1918 kommen langsam auch die Truppenführer in die Gelegenheit eine EK.I zu erwerben. Die Verleihungen 1914 und teilweise 1915 betreffen häufig „Doppelverleihungen“, so wurde z.B. der Armeeoberkommandant Erzherzog Friedrich acht Tage nach Kriegsbeginn mit beiden Klassen des EKs ausgezeichnet, ebenso kurz darauf der Chef des Generalstabes Franz Conrad von Hötzendorf! Ähnlich wurde auch bei den ersten erfolgreichen Armeeführern (meist spätere Feldmarschälle) und U-Boot Kommandanten (z.B. Ritter von Trapp). Im Laufe des Krieges wurden also von Kaiser Wilhelm II., in seiner Funktion als Deutscher Kaiser folgende Auszeichnungen an Angehörige der Österreichisch-Ungarischen Armee verliehen:
Diese Zahlen beinhalten alle Anträge um Annahme- und Tragegenehmigung von Angehörigen des k.u.k. Heeres, der k.u.k. Kriegsmarine (inkl. Seewehr), der k.k. Landwehr (inkl. Landsturm und ausländische Legionen) und k.k. Gendarmerie, der k.u. Honved (inkl. Landsturm) und der k.u. Gendarmerie, die bis 31.12.1918 publiziert worden sind. Defacto erfolgte die letzte Publikation Anfang November 1918 – durch die Abdankung des Kaisers war eine Annahme- und Tragegenehmigung nicht mehr erforderlich. So gesehen sind in den obigen Zahlen evtl. „nur“ 95 statt 100% der tatsächlichen Verleihungen enthalten! Zu denken gibt auch, dass in absoluten Zahlen mehr Offiziere als Mannschaftspersonen ausgezeichnet wurden, obwohl es davon mehr als zehnmal so viele gab und zu den „Mannschaftspersonen“ ja auch die Offiziersanwärter aller Laufbahnen gezählt wurden! Möglicherweise waren auch, besonders bei Personen des Mannschaftsstandes, die Möglichkeiten der Einreichung teilweise kriegsbedingt etwas eingeschränkt bzw. waren sie im guten Glauben ihre vorgesetzten Offiziere würden das für sie schon erledigen. © Jörg C. Steiner, Wien |