Emil Poppr 1896-1928 |
Emil Poppr wurde im Jahre 1896 in der Nähe von Györ (Raab) als Sohn eines Oberförsters geboren und hatte eigentlich vor ebenfalls in den Forstdienst einzutreten, als ihn der Ausbruch des Weltkrieges dazu veranlasste sich freiwillig zu melden. Er rückte als Kadettaspirant zum Ersatzbataillon des k.u.k. Infanterie Regiments Nr. 83 ein und durchlief die einjährige Ausbildung zum Offiziersanwärter, bevor er im November 1915 zu seinem in Galizien stehenden Regiment transferiert wurde. Es verwundert nicht, dass der besonders schneidige Kadett rasch bei der Sturmkompanie des IR 83 landete. Für seine todesverachtende Person fanden die Vorgesetzten kaum die richtigen Worte; von „besonders unternehmungslustig und schneidig“ über „sehr initiativ“ bis „geradezu tollkühn“ reichen die Beschreibungen. Kadett in der Reserve Poppr meldete sich praktisch ständig freiwillig, keine Unternehmung schien ihm zu schwierig, kein Auftrag undurchführbar. In nur sechs Monaten wurde er mit der Bronzenen Tapferkeitsmedaille, der Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. und 1. Klasse und der Goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet sowie von Kriegsministerium mittels Dekret belobt. Immer waren es tollkühne Patrouillengänge und nächtliche Stoßtruppunternehmen, die zum Erfolg geführt hatten. Als Beispiel sei hier die Tatbeschreibung, die zur Verleihung der Goldenen Tapferkeitsmedaille führte, aus dem Belohnungsantrag kurz zitiert: „Hat in der Nacht vom 11. auf den 12.4.1916 süd.östl. Nw.Aleksiniec unter den gefährlichsten Verhältnissen eine russ. Sich.Ptr. überfallen und persönlich 1 Mann gefangen und 2 Mann niedergeschossen, indem er ganz allein in die von 5 Russen besetzte Grube sprang. Sein plötzliches Hervorbrechen, so schnell, dass seine eigenen Leute erst 20 Schritte hinter ihm eintrafen, hat den Erfolg gezeitigt, der die erste verbürgte Sicherheit von der Anwesenheit eines neuen russ. Truppenkörpers in diesem Raume für die höheren Kommandanten schaffte, wofür sogar ein Preis ausgesetzt war. Bei allen solchen Unternehmungen meldete er sich immer freiwillig, von faszinierendem Einfluss auf seine Untergebenen, hervorragend tapfer, unermüdlich jeder Gefahr entgegentretend und wurde auch für eine ähnliche Unternehmung bereits dekoriert.“ Emil Poppr wurde danach von Kadetten zum Fähnrich in der Reserve befördert, doch seine Unternehmenslust ließ nicht nach. Im September holte er zum 2. Mal die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse und am 4. Oktober 1916 vollbrachte er eine Tat, die - unter der Bezeichnung „Gegenangriff bei Batków“- die erste der beiden Unternehmungen sein sollte, die schließlich zur Verleihungsbegründung des Kapitels des Militär-Maria Theresien-Ordens herangezogen werden sollte. Hier die Tatbeschreibung: „Im Verband der 2. Armee befand sich das IR 83 im Herbst 1916 in den ausgebauten Stellungen zwischen Batków und Zwyzyn, etwa 22km östlich Zloczów in Ostgalizien. Als in den ersten Oktobertagen, nach starker Artillerievorbereitung, noch ein russischer Großangriff Brussilows ansetzte, befahl das Regimentskommando die Verdichtung der vordersten Verteidigungslinie durch einzelne Kompanien, darunter auch jener, zu welcher der Fähnrich in der Reserve Poppr gehörte, jedoch mit dem Beifügen, dass dieser an dem bevorstehenden Kampf nicht teilzunehmen, sondern sich bei seinem Bataillonskommando zu melden habe. Diese Anordnung beruhte auf einem Befehl des AOK, dass die Besitzer der Goldenen Tapferkeitsmedaille aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zurückgezogen werden sollen, um ihrem Truppenkörper erhalten zu bleiben. Poppr gehorchte nur widerstrebend. Er befand sich am Nachmittag des 4. Oktober bereits auf dem Wege nach rückwärts, als es den russischen Infanteriemassen gelang, die Stellung des Bataillons IV/83 an beiden Flügeln zu durchbrechen und hierdurch auch die Mittelkompanien zur Preisgabe ihrer Abschnitte zu zwingen. Das aller Fernsprechverbindungen beraubte Bataillonskommando befand sich weiter rückwärts in einem Fuchsloch, dessen Eingang durch Artilleriefeuer verlegt war. In dieser überaus kritischen Lage ergriff Fähnrich Poppr die Befehlsgewalt über die zurückdrängende Mannschaft verschiedener Kompanien, besetzte rasch den Waldrand zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie, eröffnete mit etwa 80 bis 90 Mann ein heftiges Schnellfeuer auf die anrennenden Russen und ging alsbald zum Gegenangriff über, dem der Feind unter Zurücklassung zahlreicher Gefallener, Verwundeter und Gefangener weichen musste. Durch diesen Teilerfolg wurde der ganze Angriff zum Stehen gebracht; die verlorenen Stellungen konnten zurückgewonnen, die Front der eigenen Division und beider Nachbarabschnitte auch weiter behauptet werden.“ Mit 1. Dezember 1916 wurde Fähnrich Poppr außer der Rangtour wegen tapferen Verhaltens vor dem Feind zum Leutnant in der Reserve befördert. Als nach dem Tode Kaiser Franz Josephs I. Kaiser Karl am 21. November 1916 die Regierung antrat, wurde von maßgeblichen ungarischen Kreisen eine baldige Königskrönung in Budapest gefordert. Die Entscheidung Kaiser Karls, sich zum apostolischen König von Ungarn krönen zu lassen, erfolgte bereits wenige Tage nach seinem Regierungsantritt und wurde mit dem 30. Dezember 1916 sehr knapp terminisiert, was die zuständigen Hofstellen vor große organisatorische und protokollarische Probleme stellte. Gemäß dem alten Krönungszeremoniell wurden – diesmal in aller Eile – Personen ungarischer Nationalität ausgewählt, die würdig waren der Tradition entsprechend bei der Krönung zu Rittern vom Goldenen Sporn geschlagen zu werden. Eine genaue Bestimmung der Auswahlkriterien ist durch die lückenhafte Aktenlage heute nicht mehr möglich, die Zusammensetzung dieser 51 Personen zeigt jedoch, dass fast die Hälfte der Ausgewählten Abkömmlinge des alten ungarischen Adels waren - Namen wie Teleki, Andrássy, Esterházy und Festetics sprechen für sich. Die übrigen Personen kann man zu ungefähr gleichen Teilen entweder zum neuen, politisch einflussreichen Adel, wie Wekerle, Hazai oder Tisza, oder zum „Tapferkeitsadel“, wie die Leutnants Ladislaus Barcsay, Zoltán Vén und natürlich Emil Poppr, zählen. Die Offiziere der letztgenannten Gruppe waren alle bereits mehrfach wegen Tapferkeit vor dem Feinde ausgezeichnet worden; fast alle hatten bereits als Fähnrich die Goldene Tapferkeitsmedaille erhalten. Von diesen insgesamt 51 designierten jungen Offizieren wurden auf streng vertraulichem Wege eilig Dienstbeschreibungen angefordert, welche bis auf einen Fall (gegen Leutnant Paul von Leidenfrost war gerade eine ehrenrätliche Untersuchung angeordnet worden, die jedoch später ergebnislos verlief) alle positiv waren und so wurden 50 Fähnriche und Offiziere zur Krönung nach Budapest geschickt. Diese erhielten von Weihnachten bis zum Abschluss der Krönungsfeierlichkeiten Urlaub und mussten in Feldadjustierung zum feierlichen Ritterschlag erscheinen, was letztendlich kriegsbedingt und aufgrund der knappen Zeitspanne zwischen Designierung und Krönungstermin nur 47 Personen schafften. Leutnant Nikolaus Jurkovic und Oberleutnant Dionys Kovács kamen schlicht zu spät nach Budapest und Leutnant Ladislaus Barcsay lag zum Zeitpunkt der Krönung gerade im Spital. Schon seit alters her bestand immer der Wunsch nach einem tragbaren Ordenszeichen für jene Ritter von Goldenen Sporn, die den Ritterschlag vom jeweilig neu gekrönten König erhalten hatten und diesmal schien er endlich, wenn auch mit Verspätung, realisiert zu werden. Zwar stritt man mehr als ein Jahr um Aussehen und Finanzierung dieses Abzeichens doch am 5. April 1918 legte der Außenminister Graf Czernin die entsprechenden statutarischen und die äußere Form betreffenden Bestimmungen dem Kaiser vor, die dieser mit 10. April 1918 genehmigte. Es wurden zwei Handschreiben erlassen und darauf hingewiesen, dass es sich nicht um einen Orden, sondern um ein mit dem historischen Akt der Königskrönung in Ungarn zusammenhängendes Erinnerungszeichen handelt und das Tragen nur um den Hals und in sonst keiner anderen Form gestattet sei. Wann und in welcher Form die ausgewählten Offiziere mit diesem Erinnerungszeichen dekoriert worden sind ist leider heute nicht mehr nachvollziehbar, es wird aber offenbar noch vor dem Kriegsende geschehen sein. Das Abzeichen aus Emil Popprs Nachlass, wie auch sein Kreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens, befinden sich heute in einer Wiener Privatsammlung. Zum Jahreswechsel 1916/17 war Leutnant Emil Poppr also einer der höchst dekorierten jungen Offiziere ungarischer Nationalität in der k.u.k. Armee und seine Vorgesetzten waren sich, auch gedeckt durch Allerhöchsten Befehl, darüber einig einen solchen Soldaten soweit als möglich aus dem Gefahrenbereich der Front abzuziehen und für die Armee zu erhalten. Doch das Leben in der Etappe war nun wirklich nicht Popprs Sache. Immer wieder ersuchte er um Versetzung nach vorne, an die Front und diesem Wunsch wurde schließlich im Frühjahr 1917 nachgegeben und sofort nahm er wieder seine geradezu todesverachtenden Aktionen auf. In kurzen Abständen wurde er mit dem Militärverdienstkreuz 3. Klasse und dem Orden der Eisernen Krone 3. Klasse – beides natürlich mit Kriegsdekoration und Schwerter – ausgezeichnet. Hier nur kurz aus einem Belohnungsantrag zitiert: „Bei dem von ihm vom 27. auf den 28. März 1917 nächst Batkow erfolgreich durchgeführten Unternehmen durchbrach er das feindliche sechsreihige Hindernis, drang in die Stellung, machte den größten Teil der Besatzung nieder und kehrte unter Mitnahme eines Gefangenen, eines kompletten Maschinengewehrs und sieben Gewehre mit geringen eigenen Verlusten zurück.“ Als schneidigster Führer der Sturmkompanie des IR 83 wurde er auch vom Verbündeten mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Auf Befehl des Korpskommandos wurde allerdings dem Tatendurst Popprs wieder einmal Zügel angelegt, er sollte nur noch für wirklich wichtige Zwecke eingesetzt werden. Einen solchen sah das Divisionskommando im Sommer 1917 in der Notwendigkeit, russische Gefangene einzubringen, um endlich die Zusammensetzung der feindlichen Verstärkungen feststellen zu können. Es gestattete demnach dem sich natürlich sofort freiwillig meldenden Leutnant Poppr die Durchführung eines Erkundungsvorstoßes nach eigenem Gutdünken. Diese Unternehmen sollte als „Sturmtruppunternehmen bei Batków“ als zweite und entscheidende Tat bei der Verleihungsbegründung des Kapitels des Militär-Maria Theresien-Ordens herangezogen werden. Hier die Tatbeschreibung: „Poppr stellte einen Sturmtrupp von 35 Mann zusammen, ließ aus Pfosten einen starken Rahmen zimmern, auf dem er 120 Handgranaten befestigte und zur Zündung herrichtete. Dieser Rahmen wurde dann in der Nacht zum 4. Juli 1917 an und unter die dichten russischen Drahthindernisse geschoben, mit dem Erfolge, dass durch die Explosion der Sprengkörper eine über 100 m breite und etwa 12 m tiefe Bresche gerissen wurde, durch die Poppr mit seinen Leuten vorwärts stürmte, bis in die feindliche Hauptstellung eindrang und sie in der Ausdehnung einer Kompaniebreite aufrollte. Nach einstündigem Kampf mit Handgranaten, Bajonetten und Gewehrkolben kehrte der verwegene Sturmtrupp ohne eigene Verluste, aber mit zahlreichen Gefangenen zurück, durch deren Einvernahme es dem Divisionskommando möglich wurde, sehr wichtige Feststellungen in der Kriegsgliederung der Russen und über deren Angriffsabsichten zu machen. Sie sind für die erfolgreiche Abwehr der nächsten Offensive von entscheidender Bedeutung gewesen.“ Für diese beiden Taten wurde dem Leutnant der Reserve Emil Poppr vom Kapitel des Militär-Maria Theresien-Ordens in der 189. Promotion am 27. Juni 1922 das Ritterkreuz dieses Ordens verliehen. Für die höheren Kommanden war nun endgültig klar, dass das Leben und die Erfahrung dieses schneidigen Offiziers der Armee erhalten bleiben musste. Im Herbst 1917 wurde er dauernd zum Ersatzbataillon versetzt und war dort bis Kriegsende mit der Ausbildung der Sturmtruppen beschäftigt. Nach dem Zusammenbruch ließ er sich in Ungarn, Komitat Moson, nieder und trat in den staatlichen Forstdienst ein, was er ja bereits vor Kriegsbeginn angestrebt hatte. Am 6. März 1928 starb er an den Folgen eines Autounfalls, in den er in Ausübung seines Forstdienstes bei Lébény verwickelt wurde. So verstarb im Alter von nur 32 Jahren einer der tapfersten ungarischen Offiziere, der - fast könnte man sagen „gegen seinen Willen“ - nur durch die Befehle seiner Vorgesetzten den bis dahin wohl blutigsten Krieg überlebt hatte, an einem ganz „normalen“ zivilen Unglück. © Jörg C. Steiner, Wien |