Oskar Löwy

1894-1963

 

Oskar Löwy wurde am 13. September 1894 im burgenländischen Mattersburg (damals Ungarn heute Österreich) als Mitglied der dortigen, relativ großen jüdischen Gemeinde geboren. Löwy, der ein großer und sehr kräftiger Bursche war, beschloss aktiv in den Militärdienst einzutreten. Im Frühjahr 1915 finden wir ihn als Korporal im k.u.k. Infanterie Regiment Nr. 76, das seit Mitte Mai bei Chlope in der Nähe von Stary-Sambor in Galizien in Stellung lag. Korporal Löwy, der schon für seine Schneidigkeit bekannt war, hatte bereits einen Schuss in die Waden durchgestanden und war mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. Klasse ausgezeichnet worden, hatte diese aber noch nicht ausgefolgt bekommen. Im Regiment waren kurz davor gerade erst die ersten 5 Goldenen verliehen worden, doch nun schlug die Stunde des Oskar Löwy. Im Belohnungsantrag werden die Aktivitäten kurz wie folgt geschildert:

Korporal Oskar Löwy der 6. Kompanie erhielt von Baons-Kmdt. Hptm. Schwarz den Befehl mit 12 Mann das Vorterrain abzusuchen und insbesonders auf das sich vor der Stellung hinziehende Eisenbahngeleise zu achten. Am Abend brach Korp. Löwy mit 12 Mann auf und stieß auf eine starke feindliche Abteilung von ca. 80 Mann. Er beobachtete sie und sah, dass die Russen im Begriffe waren das Eisenbahngeleise zu zerstören. Ein schneller Entschluss! Trotz der offenkundigen Übermacht griff Korp. Löwy die Russen an, zwang sie zum Rückzug und machte achtzehn Mann gefangen. Die Gefangenen ließ er abführen und verfolgte den weichenden Feind bis zur feindlichen Stellung, wo es ihm gelang eine feindliche Feldwache (auch) noch gefangen zu nehmen.

Am 15. Mai wird die eigene Front von starken und überlegenen feindlichen Kräften angegriffen, nach hartnäckigem Kampfe durchbrochen und ein Teil des 2. Baons gefangen genommen. Unter den Gefangenen befand sich auch Korp. Löwy. Beim Abtransport gelang es dem Korp. Löwy in russischer Montur verkleidet, zu entkommen.

Bei der eigenen Stellung angelangt, sammelte er die Reste verschiedener Verbände, ca. 180 Mann, übernahm das Kommando und griff rasch entschlossen wieder in den Kampf ein. Es gelang ihm als erster den Feind zu werfen und 120 Mann gefangen zu nehmen, sowie viele der zuvor gefangenen 76er wieder zu befreien. Durch Einsetzen von starken Reserven wurde der feindliche Angriff wieder vorgetragen. Korp. Löwy musste sich bis zur eigenen Stellung zurückziehen, ver-anlasste den Artillerie-Beobachter telefonisch Reserven zu verlangen und als solche in Form von abgesessener Kavallerie und einer Abteilung des I.R. 102 einlangten, griff er den Feind abermals an und schlug ihn zurück.

Für dieses tapfere und initiative Verhalten vor dem Feinde wurde Oskar Löwy mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, außertourlich vom Korporal zum Feldwebel befördert und zusätzlich vom Regiment mit einer Geldprämie von 10.000 Kronen beschenkt, was nach heutiger Kaufkraft ungefähr einer Summe von fast 28.000 Euro entspricht!

Doch Feldwebel Löwy konnte sich nicht lange erfreuen, denn nur wenige Monate später erhielt er einen Kopfschuss, der zur totalen Erblindung führte. Über diese Aktion, die auch zur Verleihung der Silbernen Tapferkeitsmedaille 1.Klasse geführt hat, gibt es leider keine Unterlagen mehr. Sicher ist jedoch, dass Oskar Löwy zur Versorgung im Kriegsspital in Wien war. Der so große und starke junge Mann musste sich nun plötzlich mit der Hilflosigkeit eines Blinden auseinandersetzen, doch da war eine Stimme in der Finsternis, eine junge Hilfsschwester aus dem Waldviertel namens Mathilde.

Es dauerte nicht lange und aus der beruflichen Obsorge wurde private Anteilnahme und schließlich Liebe. Am 5. November 1916 heiratete Oskar Löwy seine, ursprünglich natürlich römisch-katholische, Krankenschwester Mathilde in der Militär-Synagoge in der Wiener Stiftskaserne. 1918 wurde dem jungen Paar ein Sohn geboren, den sie Moritz nannten. Löwy, inzwischen zum Offiziersstellvertreter befördert, wurde als Berufsunteroffizier noch vor Kriegsende mit einer Lizenz für eine Tabak-Trafik abgefertigt. Durch das staatliche Monopol garantierte eine solche geschützte Verkaufsstelle für Tabakwaren, Stempelmarken usw. ein relativ krisensicheres Einkommen. Dies ermöglichte Löwy, der sich viel in Kameradenkreisen bewegte, immer wieder dem einen oder anderen zu helfen.

Oskar Löwy hatte immer ein offenes Ohr und eine gebende Hand wenn es um in Not geratene Kameraden ging und manchmal halfen schon ein paar zugesteckte Zigaretten um „Kameradschaft“ nicht zu einem leeren Wort verkommen zu lassen. Offiziersstellvertreter Oskar Löwy war auf allen wichtigen Aufmärschen von Kriegsveteranen zu finden, er war natürlich Mitglied im „Ring der Goldenen Tapferkeitsmedaille“ und, als dieser im Sommer 1932 gegründet wurde, selbstverständlich auch im Bund jüdischer Frontkämpfer.

Bei der Einweihung des Heldendenkmals in Wien 1934 marschierten selbstverständlich auch zwei uniformierte Kompanien des Bundes jüdischer Frontkämpfer mit, wobei die Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille, Bruno Feyer, Josef Kulka, Oskar Löwy und Ing. Friedrich Polifka eine eigene Gruppe an der Spitze bildeten. Besonders Offiziersstellvertreter Löwy sorgte für einen tiefen Eindruck durch das Spannungsfeld zwischen seiner kräftigen, hünenhaften Erscheinung und der durch seine Kriegsblindheit so verletzlich wirkenden Hilflosigkeit.

Bei Einführung der Zulage für Träger von Tapferkeitsmedaillen durch die Republik Österreich stellte sich heraus, dass nicht nur einige Unterlagen des k.u.k. Infanterie Regiments Nr. 76 aus den betreffenden Jahren verloren gegangen waren, im Kriegsarchiv fand sich zum Beispiel nur noch der Belohnungsantrag für die Goldene Tapferkeitsmedaille, sondern, dass damals auch die Meldung an die zentrale Evidenzbehörde in Wien unterblieben war und daher keine Publikation von Verleihungen an Oskar Löwy im Personalverordnungsblatt vorgenommen worden sind. Das, was heute im Grunde nur nach einem verständlichen, bürokratischen Lapsus klingt, hätte damals ernsthaft die Auszahlung der wohlerworbenen Zulage an Oskar Löwy verhindert, doch trug sein stets kameradschaftliches Verhalten nun Früchte. Alle seinerzeitigen Kameraden und Offiziere, sofern sie noch lebten, schrieben entsprechende Tapferkeits-Zeugnisse oder eidesstattliche Erklärungen, sodass eine Anerkennung erfolgen musste. Dies ist der Grund warum in den amtlichen Unterlagen das Verleihungsdatum seiner Goldenen Tapferkeitsmedaille mit dem Datum 18. Jänner 1933 (Erlass des Ministeriums für Heerwesen) angegeben ist.

Konnte man das noch als Schikane eines einzelnen Beamten bezeichnen, wurde es für die Familie Löwy nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich im März 1938 wirklich ernst. Löwy verlor als erstes seine Trafik im 2ten Wiener Gemeindebezirk, die Familie war somit, außer der Tapferkeitsmedaillen-Zulage, die weiterhin ausbezahlt wurde, ohne Einkommen. Weitere weniger lebensbedrohliche dafür erniedrigende, Maßnahmen waren die zwangsweise Annahme der Namen „Sarah“ und „Isak“ als zweite Vornamen und das Tragen des gelben „Judensterns“.

Doch noch hielt die Treue der Kameraden. Nachdem sich Löwy geweigert hatte das Land zu verlassen, wurde in einem regelrechten Netzwerk dafür gesorgt, dass die Familie finanziell und überhaupt überleben konnte. Das ging bis Ende 1942 gut, dann erfolgte auch hier der Abtransport ins Konzentrationslager Theresienstadt.

Doch Oskar Löwy überlebte auch das. Im Herbst 1945 trafen er und sein Sohn, seine Frau hatte nicht überlebt, wieder in Wien zusammen. Nach einer provisorischen Unterkunft in der Wiener Innenstadt, wurde ihnen danach eine Wohnung in der Strozzigasse, im 8ten Wiener Gemeindebezirk zugewiesen, wo Oskar Löwy seinen Lebensabend verbrachte. Einige Jahre war er aktives Vorstandsmitglied im neugegründeten „Ring der österreichischen Goldenen Tapferkeitsmedaille“.

Oskar Löwy starb, kurz vor seinem 69sten Geburtstag am 18. August 1963 und wurde unter großer Anteilnahme verschiedener Veteranenverbänden am jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofes am 21. August 1963 beigesetzt. Nicht verifizierbaren Angaben zur Folge, war das das erste jüdische Begräbnis nach 1945 an dem eine Ehrenabordnung des Österreichischen Bundesheeres teilnahm. Der Nachruf wurde von Thomas Stifter, Vorsitzender der Kameradschaft der Besitzer der Goldenen Tapferkeitsmedaille, im Namen aller Kameradschaftsverbände gesprochen.

Nachdem gerade diesen Kameradschaftsverbänden, damals wie heute, vielfach von Vorurteilen belasteter und meist uninformierter Seite her, Antisemitismus vorgeworfen wird, soll diese Rede – mit Ausnahme der Tatschilderung, die im obigen Belohnungsantrag nachgelesen werden kann – hier im vollen Wortlaut wiedergegeben werden:

Werte Trauergemeinde, geschätzte Kameraden des Bundesheeres, liebe Kameraden der Bundesvereinigung und sonstiger vertretenen Verbände. Wir haben uns zusammengefunden, um unserem leider allzu früh von uns gegangenen Freund und Kameraden Oskar Löwy das letzte Geleit zu geben. Ich darf Ihnen allen namens der trauernden Hinterbliebenen für Ihre durch Ihr Erscheinen bekundete Anteilnahme herzlichen Dank sagen. Es ist mir als Vorsitzender der Kameradschaft der Besitzer der Goldenen nicht nur eine Verpflichtung, sondern vielmehr ein Herzensbedürfnis unserem lieben, treuen Mitkämpfer und allseits geschätzten Kameraden Löwy einige tiefstgefühlte Dankesworte nachzurufen, bevor wir uns für immer von ihm verabschieden müssen. Ich glaube in diesem Kreis von Freunden und Kameraden nicht die vorbildliche zivile Lebensführung Löwys erst heute aufzeigen zu müssen und darf mich daher auf eine kurze Schilderung der großen Verdienste Löwys um das Vaterland und die Altsoldaten-Kameradschaften beschränken. Die ihm in besonders hohen Maße eigen gewesenen soldatischen Charaktereigenschaften wie: Tapferkeit, Treue und Pflichterfüllung und Hingabe für die Allgemeinheit und das Vaterland fanden in der Verleihung aller im ersten Weltkrieg erreichbaren Tapferkeitsauszeichnungen ihre volle Bestätigung.

... (es erfolgte die, dem Belohnungsantrag folgende, Tatbeschreibung) ...

Leider konnte sich Löwy dieser schönen Auszeichnungen wegen seiner durch einen Kopfschuss erlittene totale Erblindung nicht entsprechend freuen. Dies umso weniger, als in der Nachkriegszeit die uns Altsoldaten heiligen Begriffe, wie: Pflichttreue, Tapferkeit und Kameradschaft bei einem Großteil unserer Zeitgenossen nicht sonderlich hoch im Kurs waren und auch heute noch sind. Nichtsdestoweniger trug Löwy sein hartes Schicksal mit Würde. Er tat bei allen Altsoldatenvereinigungen beispielgebend mit und hatte stets eine offene Hand, wenn es galt einem Not leidenden Kameraden unter die Arme zu greifen. Seine stets bekundete Tatkameradschaft und starke Traditionsverbundenheit waren für uns alle ein Vorbild. Durch seinen Abgang entstand in unseren Reihen eine unausfüllbare Lücke. Jedenfalls begraben wir mit Kameraden Löwy ein weiteres Stück Alt-Österreich. Lieber guter Kamerad Löwy, nun so danke ich Dir namens der Kameradschaft der Goldenen, der Bundesvereinigung der Tapferkeitsmedaillenbesitzer und der gesamten Altsoldatenschaft Österreichs für die uns stets gehaltene Treue und vielfach bewiesene Tatkameradschaft. - Die Erde sei Dir leicht!

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Anmerkung: Seit 1995 vergibt die Heeresunteroffiziersakademie des Österreichischen Bundesheeres in Enns, dem Vorbild der Jahrgangsnamen der Militärakademie in Wiener Neustadt folgend, Lehrgangsnamen und so erhielt der 30. Lehrgang 2014 den Namen "Offiziersstellvertreter Oskar Löwy".

© Jörg C. Steiner, Wien

 

Back to Home   Kontakt