Die Tapferkeitsmedaillen unter Kaiser Franz Joseph und Kaiser Karl
von Prof. Jörg C. Steiner, MA
Die Regierungszeit Kaiser Franz Joseph I.
brachte, schon alleine wegen ihrer legendären Länge, einige Neuerungen und
Varianten. Die offensichtlichsten Medaillenvarianten entstehen durch die
drei verschiedenen Herrscherportraits, ganz junger Franz Joseph ohne Bart
nach links blickend (1848-1859), junger Franz Joseph mit wenig Bart nach
links blickend (1859-1866) und Franz Joseph mit Bart nach rechts blickend
(1866-1917). Die in den Klammern genannten zeitlichen Zuordnungen sind
natürlich nur als grober Anhaltspunkt zu betrachten. Nachweislich wurden
nach Ausbruch des Weltkrieges bis ca. März 1915, aufgrund des überraschend
hohen Bedarfs, alle bis dahin - aus welchen Gründen auch immer - in der
Ordenskanzlei als Vorräte zurückgebliebenen Goldenen Tapferkeitsmedaillen,
egal mit welchen Herrscherportrait und wann geprägt, ausgegeben. Alle
amtlich gelieferten und ordnungsgemäß ausgegebenen Goldenen
Tapferkeitsmedaillen, von der ersten Prägung 1789 bis zur letzten 1918,
haben ausschließlich starre Henkelösen. Bei allen übrigen Stufen der
Tapferkeitsmedaille wurde 1914 auf eine einfache Kugel- oder Walzenöse mit
einem beweglichen Ring umgestellt. Dies war billiger zu erzeugen, kostete
weniger Edelmetall und war auch einfacher in der Handhabung zum Beispiel
beim Einhängen in das Dreiecksband. Zu den wichtigsten Neuerungen in der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs gehörten die Einführung der Bronzenen Tapferkeitsmedaille - 30 mm groß ca.15,5 Gramm schwer, ohne Anspruch auf Zulage - am 14. Februar 1915, sowie die Möglichkeit der mehrfachen Verleihung jeder Tapferkeitsmedaille mit Erlass vom 29. November 1915. Ab diesem Zeitpunkt konnte jede einzelne Stufe der Tapferkeitsmedaille insgesamt viermal verliehen werden, was durch das Tragen von einer, zwei oder drei versilberten Spangen quer über das Dreiecksband angezeigt wurde. Die Zulage wurde auch bei mehrfachen Verleihungen nur für die Grundstufe ausbezahlt. Eine wiederholte Verleihung an Ausländer wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Der "meist-dekorierte Unteroffizier der Gesamten österreichisch-ungarischen Bewaffneten Macht", Feldpilot Offiziersstellvertreter Julius Arigi, wurde beispielsweise viermal mit der Goldenen, viermal mit der Silbernen 1. Klasse, zweimal mit der Silbernen 2. Klasse und zweimal mit der Bronzenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Eine viermalige Zuerkennung, also eine dreifache Wiederholungsspange, ist in allen Stufen der Tapferkeitsmedaille extrem selten zu finden. Seit der Einführung der amtlichen Punzierungspflicht per 1. Jänner 1867 sind alle Tapferkeitsmedaillen am Rand, meist rechts neben der Öse, mit der Amtspunze des Hauptmünzamtes Wien gekennzeichnet. Ein großes A im Kreis zeigt an, dass es sich 1.) um ein Produkt des Hauptmünzamtes in Wien handelt und 2.) dass das betreffende Stück aus Edelmetall ist und zwar immer aus dem, nach dem es aussieht, also Silber oder Gold. Medaillen anderer Hersteller müssen anders, wie zum Beispiel Orden oder Schmuck, punziert sein und sind nebenbei bemerkt, nicht nur sehr selten, sondern sicherlich auch keine verliehenen Stücke. Oft kommt es vor, dass Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille Silberne Tapferkeitsmedaillen – aus Silber oder von privaten Herstellern aus anderen Materialen – einfach vergolden ließen, um sie im Felde zu tragen. Dadurch konnte die „echte“ Goldene geschont werden und es war natürlich wegen der unpraktischen Henkelöse auch einfacher in der täglichen Handhabung. Trotzdem sollte man dabei nicht vergessen, dass es sich dabei nicht um echte, verliehene Goldene Tapferkeitsmedaillen handelt. Bereits im Jahre 1916 wurde entschieden, dass aufgrund der kriegsbedingten Engpässe zur Einsparung bei Edelmetallen verschiedene Orden und auch die Goldenen Tapferkeitsmedaillen in Zukunft aus Bronze gefertigt werden sollten. Bei Orden oder Verdienstkreuzen war dies nicht weiter von Belang, bei den Tapferkeitsmedaillen, allen voran der Goldenen war natürlich auch der Wert, als eine Art von Geldprämie, aber auch als Symbol sehr wohl von Bedeutung. Für besondere Anlässe, Verleihungen durch hochgestellte Persönlichkeiten usw. wurden weiterhin Tapferkeitsmedaillen aus echtem Gold geprägt. Kaiser Karl zum Beispiel behielt sich vor, dass die durch ihn persönlich auf seinen zahlreichen Inspektionsreisen überreichten Orden und Medaillen immer aus echtem Gold zu sein hätten. Es wurden also Goldene Tapferkeitsmedaillen mit starrer Henkelöse weiterhin in echtem Gold (punziert) produziert, aber auch in Bronze. Diese Medaillen hatten das Wort „BRONZE“ statt der Amtspunze eingeschlagen und bei der Verleihung wurde auf der Legitimation des Trägers vermerkt, dass dieser eine Medaille aus Bronze bekommen hätte und nach dem Krieg zum Umtausch in eine Medaille aus echtem Gold berechtigt wäre. Unnötig zu bemerken, dass diese sogenannte „Austauschberechtigung“ nach dem Krieg niemals eingelöst wurde. Versuche die Republik Österreich, als Rechtsnachfolger der Doppelmonarchie, auf dem Klagswege zur Herausgabe von Tapferkeitsmedaillen in echtem Gold zu bewegen, blieben in den 1920er Jahren erfolglos. Nachdem sich manche Ausgezeichneten, vor allem Offiziere, gerne Zweitstücke ihrer Dekorationen privat kauften, erhielt das Hauptmünzamt die Erlaubnis auch Goldene Tapferkeitsmedaillen für den „freien Verkauf“, natürlich nur an Berechtigte und konzessionierte Ausstatter, in vergoldeter Bronze zu produzieren. Diese Medaillen haben auf dem Rand die Worte „HMA BRONZE“ oder „HMA UNECHT“ eingeschlagen und sind im Grunde sehr viel seltener, als Medaillen mit der amtlichen Punzierung für die Ordenskanzlei. Zur wichtigsten Neuerung unter Kaiser Karl gehört, neben dem neuen Herrscherportrait und der lateinischen statt der deutschen Inschrift die Einführung einer sogenannten Tapferkeitsmedaille für Offiziere. Seit 1789 hatte sich das Bild des Soldaten genauso stark verändert wie die Kriegsführung selbst. Es gab im Grunde keine vernünftige Begründung mehr, warum ein Offiziersanwärter alle Tapferkeitsmedaillen erwerben konnte und plötzlich mit dem Tage seiner Beförderung zum Leutnant wieder mit Verdienstauszeichnungen anfangen sollte. Um diese, auch in der Truppe stark empfundene Ungerechtigkeit zu beseitigen, stiftete Kaiser Karl I. am 15. September 1917 eine Goldene und eine Silberne Tapferkeitsmedaille für Offiziere. Diese entsprachen in ihrem Aussehen und Material den bisherigen Medaillen der Goldenen und Silbernen 1. Klasse, es wurde nur zusätzlich ein ca. 17 mm x 21 mm großes „K“, aus Metall in korrespondierender Farbe gepresst, auf dem Dreiecksband angebracht. Alleine aufgrund dieser Bandauflage, aber auch aufgrund der in den Statuten festgelegten Vorschriften, war eine mehrfache Verleihung, angezeigt durch Wiederholungsspangen auf dem Dreiecksband, nicht vorgesehen. Aus Selbstherrlichkeit gepaart mit Unwissen wurde dies nach dem Krieg in zwei Fällen vom Kapitel des Militär-Maria Theresien-Ordens ignoriert. Nach dem Ende des Krieges wurde überhaupt viel Schindluder mit Auszeichnungen der Doppelmonarchie getrieben. Vor allem als Ende der 30er-Jahre und Anfang der 40er-Jahre der Bedarf an Ersatzdekorationen plötzlich wieder sprunghaft stieg, beeilten sich zahlreiche Firmen diesen zu decken. Es gibt „K“-Auflagen in allen Varianten, selbst in direkt auf das Band gestickter Form. Auch Medaillen wurden in vielen Materialen und Varianten geprägt und gehandelt, doch sind diese immer leicht von verliehenen Originalen vor 1918 zu unterscheiden. Es gab offensichtlich eine Firma, die „Goldene Tapferkeitsmedaillen“ aus vergoldeter Bronze herstellte mit einer Sternchenpunze um das unedle Metall anzuzeigen, aber immerhin mit einer vorschriftsmäßigen Henkelöse. Aus Deutschland wurden sogar Silberne Tapferkeitsmedaillen importiert, die mit einer in Österreich gar nicht vorhandenen „800“-Punze versehen waren und möglicherweise schon vor 1918 produziert worden waren, um den dortigen Bedarf an Zweitstücken für die große Ordensspange zu decken. In Budapest brachte die Firma Gál & Schück zum Beispiel Anfang der 30er Jahre Tapferkeitsmedaillen-Serien mit dem Portrait von Kaiser Franz Joseph und von Kaiser Karl mit komplett neu geschnittenen Stempeln auf den Markt, die jedoch aus heutiger Sicht hauptsächlich durch die mindere Qualität und ihre grobschlächtige Hässlichkeit auffallen. Es ist jedoch nicht Aufgabe dieses Artikels sich mit nicht-verliehenen Medaillenvarianten, die noch dazu meist nach 1918 gefertigt wurden, zu beschäftigen. Interessant wäre jedoch die Gesamtzahl der verliehenen oder produzierten Tapferkeitsmedaillen zu ermitteln. Für die Zahl der Verleihungen – möglichst aller Stufen – im 1. Weltkrieg gab es bis dato nur eine oft abgeschriebene Quelle, nämlich die Zeitschrift der Numismatischen Gesellschaft. Am 18. März 1918 hielt Oberstleutnant August von Müller-Wandau in der Österreichischen Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde einen Vortrag mit dem Titel „Die Tapferkeitsmedaille“, der in den „Mitteilungen der Oesterr. Gesellschaft für Münz- u. Medaillenkunde“ in mehreren Teilen von Mai 1918 bis August 1918 publiziert wurde. Im letzten Teil liest man dort: „…zum Schlusse noch die Zahlen der während des jetzigen Krieges im k.k. Hauptmünzamt geprägten und zur Ausgabe gelangten Tapferkeitsmedaillen …. Bis Mitte März 1918 wurden geprägt und ausgegeben (1) : > Goldene Tapferkeitsmedaille ECHT rund .................................... 2.900 > Goldene Tapferkeitsmedaille UNECHT rund .................................. 800 > Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse rund ............................. 143.000 > Silberne Tapferkeitsmedaille 2. Klasse rund .............................. 384.000 > Bronzene Tapferkeitsmedaille rund .......................................... 950.000 Gesamtsumme: ........................................................................... 1.480.700 (1) Die angegebenen Zahlen wurden am Schlusse des Vortrages von k.k. Hofrat Petrovits, Direktor des k.k. Hauptmünzamtes, den anwesenden Mitgliedern freundlicherweise mitgeteilt.“ Damit hat sich bis dato die wissenschaftliche Ordenskunde - in Bezug auf Produktionszahlen - zufrieden gegeben. Eine sehr naheliegende Schlussfolgerung ist aber, dass wenn der Direktor des Hauptmünzamtes im März 1918 Produktionszahlen bzw. an das Kriegsministerium gelieferte Stückzahlen bekannt geben kann, dass diese auch bis zur Einstellung der Produktion vorliegen müssten. Gute Ideen haben es so an sich, dass man sie meist nicht als Einziger hat. Auch die Hauptleitung des Vereins „Ring der Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille“, praktisch der Interessensvertretung der Träger dieser höchsten Auszeichnung nach dem Kriege und wichtigster Befürworter der Wiedereinführung der Zulage für Besitzer von Tapferkeitsmedaillen, zumindest der Goldenen und Silbernen 1. Klasse, war natürlich das Wissen um eine Gesamtsumme ein wichtiger Teil ihrer Argumentation. In einem Artikel über die Geschichte der Tapferkeitsmedaille, der im gleichen Wortlaut in der „Österreichischen Wehrzeitung“ vom 14. Juli 1933 und in „Die Goldene – Mitteilungen des Ring der goldenen Tapferkeitsmedaille“ vom 1. September 1933 erschien schreibt der Verfasser am Ende das Ergebnis seiner diesbezüglichen Recherche: „Die Anzahl aller im Weltkriege verliehenen Tapferkeitsmedaillen lässt sich nicht ganz genau feststellen. Doch verdankt der Verfasser dem besonders freundlichen Entgegenkommen der Direktion des Hauptmünzamtes in Wien die Auskunft, dass für das Kriegsministerium in der Zeit vom Beginne des Krieges bis zum 31. Dezember 1921 insgesamt geprägt und ausgegeben: > Goldene Tapferkeitsmedaille ECHT ............................................ 2.870 > Goldene Tapferkeitsmedaille UNECHT ....................................... 2.104 > Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse rund ............................. 143.000 > Silberne Tapferkeitsmedaille 2. Klasse rund .............................. 581.000 > Bronzene Tapferkeitsmedaille rund ....................................... 1.201.500 Gesamtsumme: ........................................................................... 1.930.474 Die Tapferkeitsmedaillen für Offiziere sind in den genannten Zahlen inbegriffen." Der Zeitpunkt des 31. Dezembers 1921 ist durchaus mit Bedacht gewählt, aufgrund der geänderten Amtspunzen müssen alle nach dem 1. Jänner 1922 hergestellten Medaillen aus Edelmetall andere Punzen aufweisen.
Gesamtübersicht der Verleihungen (soweit bis 2019 ermittelt)* Goldene Tapferkeitsmedaille: 4.740 > davon an Offiziersanwärter aller Grade: .................................. 1.316 > davon an Soldaten ohne Dienstgrad: ....................................... 255 > davon an Ausländer: ............................................................. 10 > davon „Nachträgliche Zuerkennungen“................................... 74
Goldene Tapferkeitsmedaille für Offiziere: 345 > davon vor Kriegsende: ............................................................ 140 > davon „Nachträgliche Zuerkennungen“ durch den Staat: ............ 19 > davon durch das Militär-Maria Theresien-Ordenskapitel: ............ 186
*Die Träger von Wiederholungsspangen sind nur einmal gerechnet! Zum Vergleich zusammengefasst: Produktionszahlen für Goldene Tapferkeitsmedaille (echt + unecht): ........... 4.974 Verleihungszahlen für Goldene Tapferkeitsmedaillen (Stand: 2019): ............ 5.084 Die Differenz zwischen Produktions- und Verleihungszahl ergibt sich dadurch, dass grundsätzlich bei nachträglichen Zuerkennungen (nach dem 1. November 1918) und auch gelegentlich bei posthumen Verleihungen keine reale Medaille ausgehändigt wurde. © Jörg C. Steiner, Wien |