Karl Fiala

1887-1974

 

Karl Fiala wurde am 4. Jänner 1887 Wien geboren, wuchs aber in Lichtenwörth im Bezirk Wiener Neustadt auf, wo er auch heimatzuständig war. Als Zugsführer der Reserve wurde er zu Kriegsbeginn ins k.u.k. Infanterie Regiment Nr. 75 eingezogen, wo er in der 12. Feldkompanie Verwendung fand. Aufgefordert durch den „Ring der Goldenen Tapferkeitsmedaille“ eine Schilderung der Umstände, die zur Verleihung seiner „Goldenen“ geführt haben, schickte er im August 1936 folgenden Bericht:

Aus der Frühjahrsoffensive 1915, die ich bei der 12. Kompanie (Hauptmann Wilhelm Kämmerling) des IR Nr. 75 mitmachte, bleibt mir die Dnjestreschlacht in ständiger Erinnerung.

Am Abend des 22. Juni 1915 erhielt das Regiment den Befehl den Dnjestreübergang bei Martinov-Stary zu erzwingen. In der Nacht wurde der Marsch angetreten, jedoch konnte, da die Brücke gesprengt und die Furten unpassierbar gewesen sind, erst bei Morgengrauen bei Sifka die Übersetzung vorgenommen werden. Unser III. Baon erhielt den Befehl nach Matinov-Stary vorzurücken und besetzte unter größter Anstrengung den Ortsrand. Die Distanz bis zum Feinde, der sich im Friedhof und längst der Strasse und Kirche befand, betrug ca. 300 Schritte. Während unserer Befestigungsarbeiten in den zerstörten Gräbern, erfolgte um ca. 7 Uhr früh ein Sturm von den Russen auf unsere rechte Flügelstellung.

Bei diesem Sturme war die 12. Kompanie in der Flanke stark bedrängt und es entstand durch schwere Verluste eine Lücke, so dass die Gefahr drohte, dass der Feind in unsere Stellung eindringen würde. Durch mein rasches Handeln gelang es mir als Zugsführer mit dem Rufe ‚Es gibt kein Zurück!’ mit 8 bis 10 Braven den heranstürmenden Feind solange Stand zu halten, bis Teile der 11. und 12. Feldkompanie eingriffen und die Russen gezwungen waren sich zurückzuziehen.

Hierauf bat Herr Hauptmann Kämmerling wiederholt telefonisch um Verstärkung, aber durch das starke Artilleriefeuer wurde es erst so gegen halb 2 Uhr nachmittags möglich zwei Züge der 5er Jäger über den Fluss zu bringen. Nachfolgende Verstärkung wurde durch einen Granatvolltreffer vollständig vernichtet. Die Artillerietätigkeit beiderseits war furchtbar. Die Russen (Finnländer) verschoben sich auf der Strasse hinter der Kirche fortwährend, so dass das Infanteriefeuer unsererseits unausgesetzt war. Um ca. 3 Uhr Nachmittag setzte das russische Sperrfeuer ein und gegen dreiviertel 4 Uhr nachmittags erfolgte der mir unvergesslich bleibende Sturm der Russen auf unsere Stellung.

Die telefonische Verbindung war durch das trommelartige Feuer der Artillerie zerstört, so dass eine weitere Verständigung nach rückwärts ausgeschlossen war, ebenso wie das Zubringen von Munition, denn die Braven, die es wagten wurden getötet oder ertranken im Fluss. Trotzdem, dass wir unsere fürchterliche Lage erkannten in der wir uns befanden, hielten wir an dem Befehl, die Stellung bis zum letzten Mann zu halten, fest. Der Sturm erfolgte hierauf, von den uns zahlenmäßig überlegenen Gegner, und es kam zum Bajonettkampf. Die Verluste für uns waren sehr schwer. Hauptmann Kämmerling befahl in dem Moment als die Russen von der linken Flanke eindrangen, dass sich die Reste der Kompanien nach rechts verschieben sollten, was auch sofort geschah.

Mit diesem Rest setzten wir zum Gegensturm an. Jedoch durch zwei Granatvolltreffer hatten wir abermals große Verluste erlitten. Nun stürzten wir Übriggebliebenen uns, dem Befehl gehorchend, dem Feinde entgegen und das Todesringen begann. Als dieses Morden abnahm, bestand noch ein ganz kleiner Rest des III. Baons und zwar aus Hauptmann Kämmerling, Fähnrich Festraz, der MG-Feldwebel Zimmermann und noch einige wenige andere, deren Namen mir entfallen sind. Wir wollten uns der drohenden Gefangennahme entziehen und sprangen in den Dnjestre (Toter Arm); ich sprang als Letzter.

Als die Russen dies bemerkten, gaben sie ein schnelles Feuer auf uns ab. Hauptmann Kämmerling, der Fähnrich, der Feldwebel und einige Infanteristen, die das Ufer schon erreicht hatten, stürzten dort schwer verwundet zusammen. Dies sehend verblieb ich im Wasser, mit dem Vorsatz, da ich noch unverwundet war, meine schwer verwundeten Vorgesetzten und Kameraden zu retten. Jedoch war dies mit großen Schwierigkeiten verbunden, da sich am Ufer eine 4-5 Meter hohe Böschung (Insel) befand, wo ein gedecktes hinaufkommen nicht leicht möglich war.

Der arme Kamerad neben mir erhielt 6 Schüsse und auch ich hatte schon mit dem Leben abgeschlossen. Ich versuchte mein Letztes für meine Kameraden und zwar entnahm ich der Kopfwunde meines neben mir getöteten Kameraden das sickernde Blut, bestrich mir meine Brust und stellte mich verwundet. In dieser Situation verblieb ich eineinhalb Stunden! Die Russen im Auge behaltend nahte ich mich so der Böschung mit dem Troste an die Verwundeten, dass ich wiederkomme um sie zu retten. Endlich erkletterte ich die hohe Böschung, wurde jedoch sofort von den Russen bemerkt und diese feuerten auf mich aber Gottseidank ohne mich zu treffen.

Nach längerer Zeit erreichte ich eine Sanitätspatrouille der 5er Jäger. Trotz viermaliger Rettungsversuche mussten wir diese aufgeben, denn als wir die Rettung vornehmen wollten, wurden wir von den Russen heftig beschossen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit gelang es mir meine Kameraden zu retten.

Aus diesem Gefecht kamen nur ein Kadett-Aspirant und ich von der 12. Kompanie zurück. Gegen 400 tote Helden bedeckten das Schlachtfeld. So endete der unvergessliche Tag des ‚Siegen oder Sterben’ am 23. Juni 1915. Ich erhielt für meine beiden Taten die Goldene Tapferkeitsmedaille und wurde sofort zum Feldwebel befördert.

Karl Fiala, der später noch zum Stabsfeldwebel befördert, sowie mit der Bronzenen und der Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. Klasse ausgezeichnet wurde, kehrte bei Kriegsende in seinen, nicht näher bezeichneten Zivilberuf zurück und lebte fortan im 6. Wiener Gemeindebezirk. Im Oktober 1930 arbeitslos geworden gelang es ihm, nach harten Jahren der Arbeitslosigkeit, im April 1935, durch Intervention des Rings der Goldenen Tapferkeitsmedaille, eine Anstellung als Beamter zu erhalten.

Es ist sehr wenig über ihn bekannt geworden, jedoch Personen, die ihn noch persönlich gekannt haben, behaupten, dass er zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg für die Kommunistische Partei sehr aktiv gewesen sei. Ein Hinweis auf diese Gesinnung könnte auch seine Konvertierung zum Protestantischen Glauben (evangelisch A.B.) sein, sowie der Umstand, dass er im Gegensatz zum weit überwiegenden Teil der Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille, nach der Besetzung Österreichs durch Großdeutschland, nicht zum Offizier der Reserve in der Deutschen Wehrmacht befördert wurde. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er von den NS-Machthabern zumindest 1939/40 als politisch oder rassisch nicht ganz unverdächtig eingestuft worden ist. Karl Fiala verstarb am 4. Februar 1974 und wurde am Evangelischen Friedhof von Wien bestattet.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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