Karl Eidenberger 1892-1976 |
Karl Eidenberger wurde am 4. August 1892 in Wien geboren. Nach Abschluss der Realschule und bestandener Matura trat er bei den Wiener Stadtwerken Straßenbahn in den öffentlichen Dienst der Stadt Wien ein. Als Beamter wurde er sofort zu Kriegsbeginn zum k.k. Landwehr-Infanterie Regiment „Wien“ Nr. 1 eingezogen, wo er sein Einjährigen-Freiwilligen-Jahr absolvierte und mit 1. November 1915, mit dem Rang vom 1. August 1915, zum Kadetten der Reserve ausgemustert wurde. Die Landwehr-Infanterie Regimenter wurden im Laufe des Krieges zu Schützen Regimentern umbenannt. Da viele Landwehr bzw. Schützen Regimenter in den Ballungsräumen wie zum Beispiel Wien oder Graz viel mehr Offiziersanwärter im Reservestand hatten als andere, wurde diese innerhalb der Landwehr aber auch der Landsturmeinheiten entsprechend verteilt. Karl Eidenberger wurde somit dem ruthenischen-polnischen Schützen Regiment 18 zugeteilt, wo er im März 1916 seine Beförderung zum Fähnrich der Reserve auf Kriegsdauer erhielt. Zuerst als Mitglied, dann als Kommandant des Jagdkommandos des k.k. Schützen Regiments Nr.18 erwarb er in rascher Folge die Silberne Tapferkeitsmedaille 2. Klasse (publiziert im Juni 1916), die Goldene Tapferkeitsmedaille (publiziert im März 1917) und die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse (publiziert im Juni 1917), außerdem wurde er außertourlich mit Rang vom 1. August 1916 zum Leutnant der Reserve befördert. Im September 1936 beschreibt er die Umstände, die zur Verleihung der Goldenen Tapferkeitsmedaille geführt haben folgendermaßen: „Es war im Sommer 1916, als die russische Offensive unter Brussilow endlich Halt geboten werden konnte. Das Schützenregiment No.18, das im Herbst 1915 durch ein Baon des Schützenregiments No.1 verstärkt wurde, wodurch wir Wiener zu dem polnischen Regimente stießen, lag damals am Stochod bei Zareszcze. Immer neue, starke Angriffe auf unsere ohnedies nur schwach besetzten Stellungen wurden von unseren braven Truppen zurückgeschlagen. Da und dort gelang es aber doch der russischen Übermacht auf dem linken Stochodufer Fuß zu fassen und damit die Festigkeit unserer Front neuerlich in Frage zu stellen. Diese Punkte, die von den Russen immer wieder rasch und stark, brückenkopfartig ausgebaut wurden, mussten daher um jeden Preis zurückgewonnen werden. Da war es gerade die beherrschende Sandwelle von Zareszcze, genannt der ‚Totenhügel’, um den ein wochenlanger mörderischer Kampf entbrannte. Kaum 24 Stunden lang gelang es einem der beiden Gegner diesen Hügel im Besitze zu halten. Immer neue russische Regimenter wurden auf uns losgelassen. Neuerdings saßen nun die Russen auf der Sandwelle fest. Am 3. August 1916 erhielt ich, damals Fähnrich der Reserve, den Befehl mit einem Halbbataillon – Gesamtstand zirka 45 Mann, 1 Feldwebel und 1 Kadett – den südlichen Teil unserer gegenwärtigen Stellung zu besetzen, um von hier aus die Russen anzugreifen. Nach einer nicht enden wollenden Nacht, in der von den Handgranaten in einer mir bis dahin unbekannten Weise Gebrauch gemacht wurde, lachte uns ein sonniger Morgen. Unsere Stellung lief zur russischen in einem ungefähr 30 gradigen Winkel, sodass gegen den Winkelscheitel zu, die Feindesnähe 10 bis 15 Schritte betrug. Wir lagen am Hang, die Russen auf der Höhe. Der Vormittag des 4. August verging dank der überaus regen Gefechtstätigkeit verhältnismäßig rasch, als wir um 1 Uhr mittags, bei brennender Sonne, den Befehl erhielten sofort zum Sturm auf die Sandwelle anzusetzen, die Russen vorerst in ihre zweite Linie zurückzudrängen und diese Linie nach entsprechender Artilleriebeschießung ebenfalls zu nehmen! Mit einigem Herzklopfen verließen wir um Schlag 1 Uhr unsere sogenannte Stellung und drangen mit wütendem ‚Hurra’ auf die russische Linie ein. Die Russen, die scheinbar recht überrascht waren bei hellem Sonnenschein in ihrer verhältnismäßig starken Stellung angegriffen zu werden, verließen nach kurzem Nahkampf fluchtartig ihren Graben. Wir hätten vorerst unser Aufgabe erfüllt gehabt, bemerkten aber, dass wir durch unseren überraschenden Erfolg eine mächtige Verwirrung bei unseren Gegnern angerichtet hatten und ich beschloss daher sofort zum Sturm auf die zweite, die Hauptstellung, vorzurücken. Es war mir auch ein leichtes meine Mannschaft, die siegesfroh geworden, zu diesem zweiten Angriff zu befehlen. Und siehe: Ein herrlicher Erfolg ward uns beschieden! Nach verhältnismäßig schwacher Gegenwehr ergab sich die russische Besatzung und wir standen nach langer Zeit wieder einmal als Sieger auf dem Gipfel der heißumstrittenen Sandwelle. Viele hundert Gefangene zogen in Doppelreihen dahin, viel Kriegsmaterial, darunter eine Anzahl von Maschinengewehren, war unsere Beute. Wir besetzten nun die ausgedehnte Stellung soweit es unser schwacher Stand zuließ. Wütende Gegenangriffe der Russen, begleitet von schwersten Geschützfeuer, waren die unmittelbare Folge unseres Sieges. Einige Male gelang es dem übermächtigen Gegner, sich in Teilen unseres Grabens einzunisten, äußerst bedrohlich war oft unsere Lage, doch die heldenmütige Besatzung warf die unangenehmen Eindringlinge im schwersten Nahkampf immer wieder zurück. Als die Dämmerung einfiel, ca. 8 Uhr abends, ließen die Angriffe nach, rechts und links von uns langten die heißersehnten Verstärkungen ein. Wir erhielten den Befehl, in Anerkennung unserer Leistungen, uns in die Reservestellung zurückzuziehen, wogegen unser Abschnitt andere Regimentsteile zu übernehmen hätten. Dieser Ablösebefehl war leichter erteilt als ausgeführt! Die ganze Linie stand unter schwersten Maschinengewehrfeuer; Mann für Mann, Sprung um Sprung, nur so gelangten wir endlich aus dieser ungastlichen Stätte. Es war 11 Uhr nachts geworden als wir die Reservestellung, einen Strassengraben, der längs der Poststrasse am Fuße des ‚Totenhügels’ verlief, bezogen hatten. Unser kleines Häufchen hatte leider 7 Tote und etliche Verwundete zu beklagen. Kaum einer war hier, der nicht an Montur oder gar in der eigenen Haut, Spuren dieses heißen Kampftages aufweisen konnte. Kaum aber hatten sich die erschöpften Soldaten zur Ruhe begeben, als ich eine sonderbare Rückwärtsbewegung aus der vordersten, kaum verlassenen Linie wahrnehmen musste. Manchmal ähnelte diese Bewegung stark einer regellosen Flucht, waren doch Leute darunter, die meinten sich’s oben bequem machen zu können und nun ohne Schuhe, ja sogar ohne Montur, nur in Unterkleidern, an uns vorbeistürmten! Auf mein wiederholtes Fragen hin konnte ich schließlich in Erfahrung bringen, dass die Russen unsere Besatzung am Hügel neuerdings geworfen hatten. Fast gleichzeitig erhielt ich den schriftlichen Befehl zum sofortigen Angriff und Sturm auf die Sandwelle. Nun musste ich alle Überredungskunst anwenden um meine ermüdete und gänzlich abgekämpfte Mannschaft wieder auf die Beine zu bringen. Aber es gelang schließlich und ich setzte den Angriff in lockerer Schwarmlinienformation an. Als wir die Poststrasse übersetzt hatten, stießen wir zu unserer größten Überraschung bereits auf Russen, denen es gelungen war bis auf einige Schritte vor unsere Lagerstätte vorzudringen. Ich setzte kurz entschlossen sofort zum Sturme an; mit ‚Hurra’ ging es gegen diese verhältnismäßig schwachen Kräfte, die ihre geladene Munition verschossen und dann Fersengeld gaben oder zum Teil sich als Gefangene stellten. Wir stießen sofort weiter; durch schwarze Nacht und Nadelwald ging es stürmend bergauf. Nach vierstündigen, fast ununterbrochenen Stürmen, wobei wir Stellung um Stellung, Baum um Baum, nehmen mussten, gelang es uns wieder, die uns wohlbekannte Höhe zu gewinnen. Ein kleines bayrisches Detachement deckte uns dabei die linke Flanke und beteiligte sich fallweise an unseren Angriffen. Die aufgehende Sonne sah uns wieder als Sieger auf dem Gipfel des ‚Totenhügels’. Neuerlich haben wir hunderte Gefangene gemacht, viel Maschinengewehre, Gewehre und Munition und sonstiges Kriegsmaterial erbeutet. Neuerlich sahen wir die schweren blutigen Verluste, die wir unserem Gegner zugefügt hatten. In wilden Haufen stürmten die Besiegten über die andere Hügelseite in den Stochod um dort im wohlplazierten Artillerie-Sperrfeuer den Tod zu finden. Glücklich konnten wir unserem Regimentskommandanten unseren neuerlichen Erfolg melden. Alsbald erschien ein Adjudant unseres damaligen Heeresgruppenkommandeurs, des deutschen Generals Bernhardi, und überbrachte mir und den braven Mitkämpfern Gruß und Glückwünsche seiner Excellenz, verlangte meine Personaldaten, um eine Eingabe zu einer Auszeichnung zu veranlassen. Vom Regimentskommando wurde alsbald alles weitere unternommen und am 22. November 1916 wurde mir, inzwischen zum Ersatzbaon des Schützenregiments No.1 nach Wien eingerückt, vom damaligen Kaderkommandanten Oberst Brunn, die Goldene Tapferkeitsmedaille an die Brust geheftet. Schon Wochen vorher wurde mir die deutsche Kriegerverdienstmedaille am Band des Eisernen Kreuzes verliehen, wobei wir erfuhren, dass wir durch unseren nächtlichen Sturmangriff Teile eines bereits gefangenen deutschen Baons wieder befreit hatten. Dies konnten wir während der Nacht selbst nicht beobachten, doch wurde uns diese Tatsache vom Kommandanten dieses Baons mit Freude berichtet. Nachdem wir in den wiedereroberten Stellungen den ganzen Tag und die folgende Nacht im mörderischen Trommelfeuer ausharren mussten, mussten wir in den ersten Vormittagsstunden des 7. August, über Befehl, eine Riegelstellung besetzen, von wo ich nach eigenem Gutdünken, ohne höhere Befehle abwarten zu müssen, in die Geschehnisse auf dem ‚Totenhügel’ eingreifen konnte. Bald aber wurden wir auch von dort abgelöst, unser nunmehr recht klein gewordenes Häufchen stieß wieder zum Regimente und nur einzelne Patrouillengänge brachten mich hin und wieder auf die Sandwelle von Zareszcze zurück. Es ist mir heute noch unerklärlich, wieso die Russen, die wohl in 30 bis 40-facher Übermacht waren, sich von diesem so kleinen, aber entschlossenen Häuflein Österreich tagelang solch schwere Niederlagen holen konnten. Tausende und Abertausende, Freund und Feind, Österreicher (Wiener, Polen, Ruthenen), Ungarn, Reichsdeutsche und Russen haben dort den Heldentod gefunden. Der Geruch dieser unzähligen, schlecht oder gar nicht beerdigten Leichen machte schließlich eine Besetzung dieses vielbegehrten Erdfleckens überhaupt unmöglich; nur einzelne Beobachtungsposten von hüben und drüben waren noch gezwungen in diesem großen Leichenfelde ihren schweren Dienst zu versehen. Dies ist die Geschichte meiner ‚Goldenen’, die zu erwerben mein sehnlichster Wunsch war, die zu erringen das Verdienst meiner damaligen braven und heldenmütigen Mannschaft war.“ Leutnant Eidenberger wurde in weiterer Folge hauptsächlich beim Ersatzkader in der Ausbildung verwendet, trotzdem wurde er 1916/17 durch die Ruhr und 1918 durch Typhus zu monatelangen Lazarettaufenthalten gezwungen. Am 9. Oktober 1918 wurde ihm noch die bronzene Militär-Verdienstmedaille (Signum Laudis) mit Kriegsdekoration und Schwertern verliehen und mit dem Rang vom 1. November 1918 erfolgte seine Beförderung zum Oberleutnant der Reserve. Über Karl Eidenbergers weiteren Lebensweg konnte wenig herausgefunden werden. Er kehrte zu seiner festen Anstellung bei der Wiener Straßenbahn zurück, wo er als Beamter im Range eines Inspektors in der Hauptgruppe „Kommerzielle Angelegenheiten“ in der Abteilung für „Überprüfungsangelegenheiten“ Verwendung fand. Soweit ermittelbar wohnte er mit seiner Frau, wie auch schon seine Eltern zuvor, immer im 13ten Wiener Gemeindebezirk Hietzing, wo er auch am 22. August 1976 verstarb. © Jörg C. Steiner, Wien |