Lorenz Brandl 1888-1947 |
Lorenz Brandl wurde am 30. April 1888 in Bori Gurahumora in der Bukowina geboren und römisch-katholisch getauft. Nach Ableistung seines Präsenzdienstes beim k.u.k. Feldkanonen-Regiment Nr. 33 erhielt er einen Posten als Polizei-Wachmann in Wien. Von diesem Zivilberuf weg wurde er 1914 als Reserve-Feuerwerker zu seinem Regiment einberufen. Durch sein schneidiges Verhalten wurde er bereits am 26. Dezember 1914 mit der Silbernen 1. Klasse und am 5. Oktober 1915 mit der Silbernen 2. Klasse ausgezeichnet. In weiterer Folge wird Lorenz Brandl mit der Bronzenen Tapferkeitsmedaille, dem Eisernen Verdienstkreuz mit der Krone und dem Karl-Truppen-Kreuz ausgezeichnet. Vom deutschen Verbündeten erhält er die preußische Kriegerverdienstmedaille. Durch die verschiedenen Umstrukturierungen und Umbenennungen in der Artillerie 1916 und 1917 landet er schließlich als Stabsfeuerwerker bei der 6. Batterie des Feld-Haubitz-Regiment Nr. 43. Am 24. Mai 1918 konnte er als Artilleriebeobachter am Corni Zugnia (1.865 m) die Goldene Tapferkeitsmedaille erringen. Auf Wunsch der Hauptleitung des Rings der Goldenen Tapferkeitsmedaille schilderte er die Umstände dieser Waffentat wie folgt: „Am Jahrestag der Kriegserklärung unternahmen die Italiener einen heftigen Angriff gegen unsere Stellung auf der Corni Zugnia, 1865 m, um unsere Linien zu durchbrechen und so in das Etschtal zu gelangen und im weiteren Verlauf gegen Rovereto vorzustoßen. Um 13.00 Uhr begannen die Italiener ein mörderisches Trommelfeuer unter Verwendung schwerster Artillerie und Minenwerfer, welches bis Punkt 19.00 andauerte. Die gegnerischen Stellungen lagen tief abgeschnitten auf einer Entfernung 25 m gegenüber. Um 19.00 Uhr setzte das feindliche Trommelfeuer aus, welches den ganzen Drahtverhau völlig zerstört und unseren Stützpunkt dem Erdboden gleichgemacht hatte. Gleichzeitig mit dem Verstummen des Trommelfeuers stürmte der Feind, aus seiner Kaverne hervorbrechend, gegen unsere Stellung an. Nach erbitterndem Handgemenge mit unseren tapferen Tiroler Kaiserschützen wurde ein Großteil der Italiener kampfunfähig gemacht, der Rest gefangen. Ich war als Artilleriebeobachter in der vordersten Infanteriestellung und habe alle Anzeichen eines Vorstoßens der Italiener aus den Kavernen heraus nach dem Trommelfeuer beobachtet. In meiner unmittelbaren Nähe befanden sich vier 14 cm Minenwerfer, deren Kommandant Leutnant Liebermann, während des Trommelfeuer gefallen war. Ich übernahm das Kommando über diesen Minenwerfer und verlegte deren Feuer auf den Ausgang der Kaverne, aus der bereits die ersten Italiener hervorgebrochen waren, um ein Nachkommen feindlicher Reserven zu verhindern. Eine Verständigung mit unserer Artillerie war mir unmöglich, da sämtliche Fernsprechleitungen zerstört und die eingeführten Signale für Sperrfeuer durch Blinkzeichen infolge der starken Rauch- und Staubentwicklung unwirksam waren. Es blieb mir nur die Niederhaltung der vordringenden Italiener durch die Minenwerfer möglich. Der in unserer Stellung eindringende Feind kam auch zu meinen Minenwerfern und ich wurde im Handgemenge mit diesem durch Handgranatsplitter schwer verwundet. Trotz dieser Verletzung blieb ich auf meinem Posten und sperrte den Ausgang der italienischen Kaverne weiter durch mein Minenwerferfeuer ab, nachdem ich die zu meinen Minenwerfer vordringenden Italiener mit der Beobachtungs- und Bedienungsmannschaft niedergemacht hatte. Unterdessen wurden auch die Lichtsignale von unserer Artillerie wahrgenommen und diese setzte mit einem Sperrfeuer ein, in dem der feindliche Angriff vollkommen zusammenbrach. Um ca. 20.00 Uhr setzte neuerlich ein kurzes feindliches Trommelfeuer aller Kaliber ein, nach dessen Beendigung der Feind abermals einen Sturm gegen unsere Stellung unternahm, der aber wiederum an unseren braven Infanteristen (Kaiserschützen) deren Maschinengewehrfeuer und den eigenen Artilleriefeuer zusammenbrach. Nachdem in der Stellung halbwegs Ruhe eingetreten war, begab ich mich zum Verbandsplatz, dessen Regimentsarzt mich infolge der schweren Verletzung ins Spital abschieben wollte. Infolge der Wichtigkeit meiner Aufgabe musste ich ein Abgehen ins Spital ablehnen und verblieb noch drei Tage nach deren Ablauf erst neue Ablöse möglich war, auf meinem Posten. Für diese Waffentat wurde ich von meinem Unterabteilungskommandanten, Herrn Oberleutnant Angerer, zur Goldenen Tapferkeitsmedaille eingegeben, welche mir durch das Armee Kommando der Heeresgruppe FM Conrad auch verliehen und am 18. Juni 1918 in Rovereto, im Beisein vieler Offiziere und Kameraden vom Regimentskommandanten feierlich an die Brust geheftet wurde. So war ich der erste Besitzer der Goldenen Tapferkeitsmedaille des später in Feldhaubitzregiment Nr. 56 umbenannten Regiments.“ Lorenz Brandl, der im Laufe des Krieges insgesamt dreimal schwer verwundet worden war, beendete also seinen Militärdienst als Reserve-Offiziersstellvertreter beim, im Frühjahr 1918 neu aufgestellten, k.k. schweren Feldartillerie Regiment Nr. 56. Er kehrte in seinen Zivilberuf im Polizeidienst zurück. Da die Wiener Polizei nunmehr eine Bundesbehörde war, konnte er in der Sicherheit des Staatsdienstes leben und am 3. Juni 1923 Emma, geborene Brey, verwitwete Zärkler (*9.6.1894 / +23.7.1979) heiraten. Diese brachte einen 1917 geborenen Sohn Willbald mit in die Ehe, der schließlich von Lorenz Brandl adoptiert worden ist. Als Polizei-Revierinspektor wohnte er in einer Dienstwohnung in Wien XVI (Ottakring). Im Jahre 1923 hatte Lorenz Brandl einen schweren Dienstunfall, der auch zu einem Zivilprozess führte. In der Ausgabe vom Samstag den 2. Februar 1924 berichtete das Neue Wiener Tagblatt darüber. In diesem Artikel wird - vom damals üblichen Linksverkehr bis zu den, durch die Inflation, geradezu absurden Geldsummen - das Kolorit der Zeit einzigartig eingefangen; daher hier der Artikel im vollen Wortlaut: „Gerichtssaal - (Auto und berittener Wachmann) - Der Chauffeur der Kärntnerischen Stahl- und Eisenwerksgesellschaft. der 30jährige Johann Greil, 17. Bezirk, Haslingergasse Nr. 41, unternahm in der Nacht vom 23. auf den 24. November 1923 eine Schwarzfahrt zum Heurigen. Nach Mitternacht gegen ½1 Uhr fuhr die Gesellschaft vom Heurigen im Liebhartstal heim, vorerst dem Gürtel zu. Über diese Heimfahrt berichten die Rayonsinspektoren Johann Huemer und Lorenz Brandl nachstehendes: ,Wir ritten auf dem Straßenbahngeleise in der Ottakringerstraße gegen den Gürtel zu. Zwischen der Redtenbachergasse und Speckbachergasse fuhr ein Automobil auf seiner vorschriftswidrigen rechten Fahrtseite von rückwärts das Dienstpferd "Succurs" des Rayoninspektors Lorenz Brandl an. Durch dieses Anfahren wurde das Dienstpferd nach vorwärts und aufwärts gehoben, so daß es sich überschlug und zu Falle kam. Es kam auf dem Kühler zu liegen und wurde zirka acht bis zehn Schritte mitgeschleift. Brandl wurde vom Pferd gehoben und aus dem Sattel in die Luft geworfen. Beim Falle erlitt er eine Prellung des rechten Unterarms sowie des rechten Oberschenkels. Das Dienstpferd wurde durch den Pferderettungswagen in das Tierspital überführt.' Gestern hatte sich Johann Greil vor dem Bezirksgerichte Fünfhaus (Bezirksrichter Dr. Koellner) zu verantworten. Der verletzte Rayonsinspektor Brandl gab an, daß das Automobil, das rechts hinter ihm daherkam, das Pferd erfaßt habe. Im selben Augenblicke sei er aus dem Sattel gehoben und in die Luft bis zur Höhe des ersten Stockwerkes geflogen. Als er dann von der Höhe herabstürzte, fiel er zur Erde, denn das Auto war schon vorüber und das Pferd geschleift. Er kam hinter dem Auto zu liegen, so groß war die Geschwindigkeit, die das Auto hatte. Er verlangte einen Schadenersatz von 20 Millionen Kronen für Schmerzensgeld, Zulagenentgang usw. 40 Tage war er dienstunfähig. Er sei auch in seiner Vorrückung hiedurch gemindert. Hofrat Dr. Skubel, der zur Verhandlung gleichfalls vorgeladen war, machte Ersatzansprüche des Aerars geltend und bezifferte diese: für das Reitpferd, abzüglich des Erlöses für das verkaufte Fleisch, mit achtzehn Millionen, für das Sattelzeug 120.000 Kronen und den Säbel 178.000 Kronen. Der Verteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt Dr. Paschkes, führte aus, daß er eine gewisse Schuld seines Klienten gewiß nicht in Abrede stellen könne, allein auch auf seiten der Polizeidirektion liege eine Schuld. Die Straße gehöre dem Fuhrwerk. Das Angefahrenwerden von Wacheorganen in der Nacht durch Automobile wiederhole sich in letzter Zeit in ziemlich häufiger Weise. Es wäre Sache der Polizeibehörden, dagegen Schutzmaßregeln zu ergreifen; welcher Art diese sein sollen, ist ihre Sache. Bezirksrichter Dr. Koellner verurteilte den Angeklagten zu einer Arreststrafe in der Dauer von vier Wochen. Mit den Ersatzansprüchen wurden die Privatbeteiligten, bis auf einen Betrag von zirka 500.000 Kronen, auf den Zivilrechtsweg verwiesen.“ Nach der Eingliederung Österreichs ins Großdeutsche Reich wurde Lorenz Brandl, wie die meisten anderen Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille, anlässlich der 25sten Wiederkehr der Schlacht von Tannenberg, ehrenhalber zum Leutnant a. D. in der Landwehr der Deutschen Wehrmacht befördert. In seinem Falle geschah dies mit Erlass vom 30. Juli 1940, aufgrund seines Alters verblieb er jedoch weiterhin im Polizeidienst und wurde nicht zur Kriegsdienstleistung herangezogen. Leider verläuft sich sein weiterer Lebensweg im Dunkel der Geschichte. Offenbar dürfte Lorenz Brandl, vielleicht in seiner Eigenschaft als Polizist, nach der Besetzung Wiens durch die Rote Armee mit der Sowjetischen Besatzungsmacht aneinander geraten sein. Aufgrund seiner Herkunft aus der Bukowiner sprach er auch fliesend Russisch, jedenfalls machte er sich in den Augen der Besatzer verdächtig und wurde in die Sowjetunion verschleppt. Seinen Personalunterlagen bei der Standesführung in Wien ist lediglich zu entnehmen, dass am 12. Februar 1947 die Sowjetische Besatzungsmacht eine Anfrage aus Moskau weiterleitete um die Staatsangehörigkeit – Österreich oder Deutsches Reich – im Falle Lorenz Brandl feststellen zu lassen. Ein weiterer, letzter Eintrag zeigt, dass jemand, wer ist nicht vermerkt, am 21. Mai 1952 einen Heimatschein für Lorenz Brandl beantragt und auch ausgehändigt bekommen hat. Jeder weitere Vermerk zum Beispiel der eines Todesdatums fehlt. Im kirchlichen Trauungsregister, wo manchmal auch ein Sterbedatum nachgetragen wird, steht allerdings der handschriftliche Vermerk: „+ 12.2.1947 U.d.S.S.R.“. Sein Leichnam dürfte aber nicht in die Heimat überführt worden sein, denn seine Frau und ihr Sohn wurden später im Grab ihrer Familie am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt und ein Bestattungsvermerk zur Person Lorenz Brandl konnte nicht gefunden werden. © Jörg C. Steiner, Wien |